Die Corona-Pandemie hat durch die lange Zeit von Unwägbarkeit und Entbehrungen bei vielen zu einer besonderen Form von Angst geführt: Corona-Angst. Aus Sicht der Achtsamkeit bietet die Corona-Krise jedoch auch erstaunliche Möglichkeiten zu innerem Wachstum. Ein veränderter Blickwinkel auf das Geschehen kann hilfreich sein, um die Corona-Angst besser zu bewältigen.

Corona macht vielen Angst

Corona bringt einiges im Menschen hervor. Nicht immer das Beste. In jedem Fall aber das Natürlichste, denn die Situation einer weltweiten Pandemie triggert unser Überlebenssystem. Da wird Klopapier schon mal zur Überlebensfrage. Dennoch bleibt der eine besonnen, während der andere sich Vorräte anlegt, als würde das Ende der Welt nahen. Wir sollten Hamsterkäufe von Toilettenpapier und Nahrung jedoch nicht belächeln und schon gar nicht moralisch verurteilen.

Denn ob ein Mensch entspannt oder voller Angst auf die Situation reagiert, hat Ursachen, die manchmal weit zurückliegen. Wer in der Kindheit oft unsicheren und angstvollen Situationen ausgesetzt war und wenig Geborgenheit erfahren hat, der könnte jetzt zu Überreaktionen neigen.

Wenn aus Unbehagen Angst wird

Angstmuster sind zwar in uns angelegt aber wir sind nicht auf sie festgelegt. Mit Hilfe von Achtsamkeit können wir heilsamen Einfluss darauf nehmen. Die Corona-Krise ist dafür ein ergiebiges Übungsfeld: Wir können derzeit viel über unsere Ängste lernen und wie wir ihnen den Schrecken nehmen.

Dazu ist es hilfreich, einen kurzen Blick in unser Gehirn zu werfen. Die menschlichen Fähigkeiten des differenzierten Denkens, Assoziierens, Planens und sozialen Miteinander-Umgehens, sind evolutionär gesehen noch relativ jung. Sie entstehen im präfrontalen Kortex des Gehirns.

Dort werden also auch alle mit der Corona-Epidemie zusammenhängenden Informationen verarbeitet. Wir sondieren die Lage und versuchen einzuschätzen, welche Tragweite das Geschehen für uns haben wird und wir treffen wohlüberlegte Vorsorgemaßnahmen. Auch wenn uns dabei bereits etwas unbehaglich zumute ist, bewahren wir bis hierher im Allgemeinen einen kühlen Kopf.

Corona-Angst

Wenn aus Angst Panik wird

Kippen tut das Ganze, wenn es unwägbar wird. Fehlen Informationen, die eine klare Einschätzung der Lage – und vielleicht auch ihr absehbares Ende – erlauben, führt das zunächst zu Verunsicherung und Nervosität. In den unheilvollen Zukunftsszenarien, die unser präfrontaler Kortex in Form von endlosen Mini-Filmchen simuliert, sieht unser inneres System sein Überleben bedroht. An dieser Stelle gerät der älteste Bereich unseres Gehirns in Wallung: das Reptiliengehirn.

Hier handeln wir vor allem instinktgesteuert und aus Angst – die evolutionär gesehen unser ältester Überlebensmechanismus ist. Angesichts einer Pandemie eine normale und gesunde Reaktion auf eine reale Bedrohung. Die Frage ist nur, wohin es führt, wenn die überwiegende Anzahl der Menschen auf diesem Planeten in ihrem Denken, Fühlen und Handeln auf intelligenzfreie vorsteinzeitliche Überlebensautomatismen zurückgeworfen wird.

Einen Vorgeschmack davon bekommen wir derzeit zum Beispiel am flächendeckenden Diebstahl von Desinfektionsmittelflaschen in Krankenhäusern, die samt Halterungen aus der Wand gerissen werden.

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Angst ist ansteckend

In der Psychologie gibt es den Begriff der sozialen Ansteckung. Auch wenn wir selbst in der Corona-Krise relativ gelassen sind, können uns besorgniserregende Nachrichten im Fernsehen oder in den sozialen Medien verunsichern. Das Gespräch mit einem Menschen, der seine Angst „mit uns teilt“, kann unsere eigenen Ängste schüren. Plötzlich kreisen die Gedanken zwanghaft darum, dass unsere Lieben sich nicht anstecken und wir malen uns aus, was geschehen würde, wenn wir durch die Corona-Epidemie unseren Job verlieren.

Angst beruhigen, um Corona-Panik zu vermeiden

Wenn die Angst aus dem Ruder läuft, steigt das emotionale Fieber und mündet in überwältigender Panik mit unkontrollierbarem instinkthaftem Verhalten. Die klügeren Bereiche unseres Gehirns sind derweil quasi offline geschaltet.

Angst lässt sich weder unterdrücken noch „wegdenken“. Im Zweifelsfall hat das Überlebenssystem immer den Vorrang. Eine gute vorbeugende Maßnahme ist es also, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Hilfreich dabei ist zum Beispiel zu verstehen, was in einem Ausnahmezustand im Gehirn vor sich geht.

Mehr Inspiration: Tagebuch einer Achtsamkeitslehrerin in der Corona-Krise →

Mit Achtsamkeit dem Denken eine heilsame Richtung geben

Indem wir stoppen und innehalten können wir achtsam reflektieren, in welchem Modus wir uns gerade befinden und wohin unser Handeln führt: Beruhigt unser beabsichtigtes Vorgehen die Angst langfristig oder wird es sie eher vergrößern?

Unser Gehirn mag Verhaltensweisen, die sich lohnen. Wir können also Gedanken, die Panik schüren, durch lohnende, angenehmere Gedanken ersetzen. Wenn wir zum Beispiel bemerken, dass wir uns ins Gesicht gefasst haben, ersetzen wir den Panik-Gedanken durch einen lohnenderen. Indem wir stoppen und innehalten, geben wir unserem klugen präfrontalen Kortex Zeit, sich zu Wort zu melden – sozusagen wieder „online“ zu gehen.

Ein achtsames Gehirn trainieren

Dann wird uns vielleicht bewusst, dass wir uns gerade erst die Hände gewaschen haben, dass wir in der Zwischenzeit nichts angefasst haben und dass die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung infolgedessen eher gering ist. Je öfter wir Achtsamkeit nutzen, um die stress- und angstfördernden Gedanken zu erkennen, desto öfter können wir sie durch heilsamere und angemessenere Gedanken ersetzen. Das wiederum fördert auf Dauer einen stabileren inneren Allgemeinzustand.

Corona Achtsamkeitsübung Händewaschen

Welche täglichen Verrichtungen kannst du mit Achtsamkeit ausführen, um Angst zu mindern und innere Stabilität zu stärken?

10 Tipps, um die Corona-Angst in den Griff zu kriegen

1. Praktiziere regelmäßig Achtsamkeitsmeditation

In Krisenzeiten besteht die Neigung, in depressiven Grübeleien zu versinken und von Ängsten überwältigt zu werden. Achtsamkeitsmeditation erweist sich als hilfreich, um wieder zu sich zu kommen; sie beruhigt überbordende Gefühle und macht das Denken frei und klar. Auch die Bergmeditation, die Selbstmitgefühlsmeditation und die Gehmeditation erweisen sich als echter Helfer in Zeiten emotionaler Not.
Bei Anflügen von Panik tief einatmen und doppelt so lange ausatmen. Probiere auch die 1-Minute-Meditation.

2. Vermeide es, ständig angsterzeugende Nachrichten zu lesen

Manchmal schauen wir uns die gleichen angsterzeugenden Nachrichten immer und immer wieder an. Wie ein durch eine Schlange hypnotisiertes Kaninchen. Der Informationsmehrwert ist gleich Null aber dieses Verhalten sorgt dafür, die Stimmung zunehmend unter den Gefrierpunkt sinken zu lassen.

Um zu vermeiden, sich von endlosen fragwürdigen Social Media Posts und Bildern verrückt machen zu lassen, sollte man sich seine Informationen von den Internetseiten des Robert Koch Instituts oder der Bundesregierung holen.

Einmal täglich den aktuellen Stand der Dinge zu erfahren, reicht bestimmt aus, um stets gut informiert zu sein.

3. Lies Nachrichten, die deine Zuversicht stärken

Auch in Krisenzeiten gibt es ermutigende und schöne Berichte, zum Beispiel über mitfühlendes Handeln von Mensch zu Mensch.

4. Denke an die Dinge, die du tun und kontrollieren kannst

Die Corona-Epidemie erzeugt bei vielen ein Gefühl von Hilflosigkeit und Ohnmacht und unser Gehirn neigt dazu, diese Situation zu generalisieren. Wir sind jedoch nicht jeglicher Einflussnahme beraubt. Schau auf deinen Alltag und du wirst zahlreiche Dinge entdecken, die du durchaus in der Hand hast und eigenständig gestalten kannst.

Manch einer nutzt die erzwungene Zeit in den eigenen vier Wänden, um mal wieder gründlich auszumisten, Frühjahrsputz zu machen oder den Garten frühlingsfit zu machen. Gibt es etwas, das du schon lange tun wolltest, wozu dir jedoch bislang die Zeit fehlte?

  • Mehr meditieren?
  • Ein bestimmtes Buch lesen? (Oder den Stapel Bücher und Zeitschriften neben dem Bett abarbeiten)
  • Mal wieder Tagebuchschreiben?
  • Mit Muße Musik hören? Oder mal wieder selbst Musik machen?
  • Dir eine neue Kompetenzen via Internet oder durch Fachliteratur aneignen?
  • Neue Kochrezepte ausprobieren (und die alten Rezepte sortieren ;o)?
  • Mal wieder Handarbeiten machen?
  • Öfter Joggen gehen?
  • Ausführliche Telefonate mit Freunden führen, von denen du schon lange nichts mehr gehört hast?

Finde deine Möglichkeiten der Entfaltung innerhalb der derzeitigen Einschränkungen.

5. Pflege den Kontakt mit Menschen, die dir gut tun

Es gibt Menschen, die in allem nur das Schlechte sehen und für Änderungen ihrer Sichtweisen nicht offen sind. Ihre Gegenwart kann die eigene Frustration deutlich erhöhen. Um deinen Gleichmut zu stärken, solltest du dich an Menschen halten, die ebenfalls die Ruhe bewahren und die in der Lage sind, das Geschehen aus einer übergeordneten Perspektive zu betrachten.

6. Erde dich durch Orte, Dinge, Aktivitäten, Zitate, Rituale, Mantras oder Gebete

Auch wer es schafft, das Geschehen weitgehend ruhig durchzustehen, kann plötzlich von Ängsten überrascht werden. Nutze deine Achtsamkeitspraxis, um den Stimmungswechsel bereits bei seinen ersten Anflügen zu erkennen. Hilfreich kann es in solchen Momenten sein, dich zu erden: Spaziergänge in der Natur zu unternehmen, im Garten zu wühlen oder ein gutes Gespräch mit einem Freund zu führen. Manchmal geben Gebete Kraft, oder bestimmte Zitate helfen, die geistige und emotionale Ausgeglichenheit wieder herzustellen.

Coronavirus Achtsamkeit

7. Pflege bewusst deine körperliche, psychische, seelische und soziale Gesundheit

Führe die Dinge fort, mit denen du vor der Corona-Krise deine Gesundheit gepflegt hast. Gerade jetzt ist es wichtig, Dinge zu tun, die dich gesund und fit halten, damit dein Immunsystem eine eventuelle Ansteckung gut überwinden kann. Was nährt deinen Körper auf die beste Weise? Welche Nahrung möchtest du deinem Geist angedeihen lassen (und welche keinesfalls)? Wodurch kannst du deine Seele nähren? Und was kannst du tun, damit dein soziales Selbst sich nicht einsam fühlt?

8. Denke nach bevor du redest oder etwas postest

Sei dir der Auswirkungen bewusst, die deine Kommunikation auf andere hat: Fördert sie deren Angst und inneres Chaos oder ihre Ruhe und Besonnenheit? Nutze auch hier die Achtsamkeit, um einen Moment innezuhalten und deine Intentionen zu überprüfen, bevor du irgendwelche Informationen mit anderen teilst.

Drei Siebe des Sokrates

9. Dankbarkeit und Hilfsbereitschaft als Mittel gegen die Corona-Angst

In der derzeitigen Epidemie-Krise richtet sich der Blick oft wie von selbst auf die Einschränkungen und auf all das, was man derzeit nicht tun kann. Ein Heilmittel dagegen ist Dankbarkeit. Wenn Enge dich überfällt, dann weite deinen Blick auf all das, womit du umgeben bist und auf alles, was du tun kannst. Vielleicht ist es hilfreich für dich, das alles einmal aufzuschreiben. Schreiben schafft Bewusstsein.

Wissenschaftliche Studien haben bewiesen, dass es uns in dem Maße besser geht, je mehr wir zum Wohlbefinden und Glück anderer Menschen beitragen. In diesen Corona-Zeiten gehen junge Menschen für alte Menschen einkaufen und gehen mit deren Hunden Gassi. Manche kaufen Gutscheine in ihren Lieblingsrestaurants, damit die Inhaber ihre Angestellten weiterbeschäftigen können. Auf welche Weise kannst du derzeit dazu beitragen, dass es anderen besser geht?

Manchmal ist ein Blick auf andere hilfreich, um das eigene Leid zu relativieren, vor allem wenn man sieht, dass es viele gibt, denen es sehr viel schlechter geht, als einem selbst. Zudem ist vielleicht ein gewisser Trost in der Erkenntnis der menschlichen Verbundenheit zu finden: Wir sind mit unserem Leid nicht alleine – wir teilen es zur Zeit mit jedem Menschen auf diesem Planeten.

10. Besinne dich auf die Weisheit des Buddha

Das Fundament der Achtsamkeitspraxis besteht aus den sogenannten Haltungen der Achtsamkeit. Die Tugenden von Anfängergeist, Nicht-Urteilen, Akzeptanz, Nicht-Streben, Seinlassen, Geduld, Vertrauen, Dankbarkeit, Großzügigkeit können auch bei Corona-Angst wertvolle Leuchttürme sein, an denen wir uns immer wieder neu ausrichten.

In der Beschäftigung mit den buddhistischen Lehren finden wir ganz allgemein viel Weisheit, die uns durch die Krise tragen kann. Das Daseinsmerkmal Anicca (Vergänglichkeit) zum Beispiel erinnert uns daran: „Auch das geht vorbei.“

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5 Tipps zur Stärkung deiner körperlichen Gesundheit

Ein Mediziner im Fernsehen brachte es auf den Punkt: „Das Coronavirus wird durchmarschieren; wir werden uns fast alle anstecken“. Er sagte, das sei kein Problem, so lange das Virus auf ein gut funktionierendes Immunsystem träfe. Deshalb ist Gesundheitsvorsorge das Beste, das wir tun können, um gesund zu bleiben. Unser Körper ist in dieser Hinsicht gar nicht so anspruchsvoll. Die folgenden Tipps stärken uns und sind leicht umzusetzen:

  1. Vitamine zur Stärkung des Immunsystems einnehmen
  2. Viel Ingwertee trinken (stärkt ebenfalls das Immunsystem)
  3. Ausreichend schlafen
  4. Leichte Bewegung an frischer Luft
  5. Sorgen, Grübeln und Stress vermeiden

© Doris Kirch, 2020