Kann Achtsamkeit Depressionen heilen? Im DFME werden wir häufig nach unseren Erfahrungen von Achtsamkeit als Therapie bei Depressionen gefragt. Mit einem Satz ist das nicht zu beantworten, denn bei der Depression handelt es sich um eine komplexe Erkrankung, die verschiedene Ursachen haben kann. In diesem Beitrag schauen wir uns das Geschehen aus der Perspektive der buddhistischen Psychologie an. Du wirst erfahren, welche heilsamen Wirkungen die Achtsamkeitspraxis auf das Depressionsgeschehen haben kann.

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Was ist eine Depression?

Bei einer Depression handelt sich um eine Erkrankung, die sich durch lang anhaltende intensive Gefühle von trauriger, gedrückter, pessimistischer Verstimmung, Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit, Antriebsminderung und leichter Ermüdbarkeit auszeichnet. Im schlimmsten Fall werden depressive Episoden von Ängsten und Suizidgedanken begleitet. Es handelt sich also um weit mehr als um eine vorübergehende deprimierte Stimmungslage.

Durch die anhaltende überwältigende Traurigkeit erleben Betroffene starke Beeinträchtigungen ihres Alltags und ihres gesamten Lebens. Die Lebensfreude ist stark eingeschränkt und es besteht kein Interesse mehr an Vergnügungen oder Hobbys, die früher einmal Freude bereitet haben.

Verringerte Lebensqualität

Das Ess- und Schlafverhalten sind gestört und die daraus resultierende Energielosigkeit vertieft das allgegenwärtige Gefühl tiefer Erschöpfung. Depressionen wirken sich auch lähmend auf die kognitiven Fähigkeiten aus: Es fällt schwer, sich zu konzentrieren, sich etwas zu merken oder Entscheidungen zu treffen. Das emotionale Empfinden ist eingefärbt durch übermäßige Selbstkritik und grundlose Gefühle von Schuld, Scham und Wertlosigkeit.

Bei der Erkrankung Depression handelt es sich um ein phasenweises Geschehen mit leichten bis schweren Verlaufsformen, bei dem sich gesunde Phasen mit depressiven Episoden abwechseln. Diese Phasen dauern einige Wochen bis zu einem Jahr und der Abstand dazwischen kann einige Tagen bis zu vielen Jahren betragen. Gewöhnlich wird die depressionsfreie Zeit mit Zunahme der Phasen kürzer.Was ist eine Depression

Was ist die Ursache einer Depression?

Man spricht beim Krankheitsbild Depression von einem multifaktoriellen Geschehen. Das bedeutet, es kann viele Ursachen geben – und manchmal ist die Suche nach der Ursache eine echte Sisyphusarbeit.

Häufig werden depressive Episoden durch ein schwerwiegendes Lebensereignis hervorgerufen. Aber nicht immer ist die Ursache erkennbar dramatisch: Bereits Pubertät, Wochenbett oder Wechseljahre können ausreichen, um eine handfeste Depression auszulösen.

Als weitere Ursachen gelten genetische Faktoren, Störungen der Neurotransmission oder körperliche Krankheiten (zum Beispiel Leber- oder Schilddrüsenerkrankungen). Und um die Liste zu vervollständigen: auch bestimmte Medikamente wie Kortison, die “Pille”, Beta-Blocker und Antibiotika stehen in dem Ruf, Depressionen zu begünstigen.

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Depressive Menschen als Angehöriger unterstützen

Wissenslücken bei Angehörigen führen häufig zu Unverständnis und Fehlinterpretationen. Deshalb ist es wichtig, dass sich betroffene Familienangehörige bzw. Freunde umfassend über die Erkrankung informieren.

Die 7 häufigsten Fehler von Angehörigen und Freunden im Umgang depressiven Menschen

1. Fehler: Die Depression nicht als Krankheit anerkennen

Es ist wichtig, die Depression als Krankheit zu verstehen und entsprechend zu kommunizieren. So wird vermieden, dass die betroffene Person Schuldgefühle aufgrund ihrer eingeschränkten Leistungsfähigkeit bekommt. Wer krank ist, braucht Schutz, Ruhe und Unterstützung – etwas, das jemandem in der Regel nicht gewährt wird, der lediglich für “temporär insuffizient” gehalten wird.

2. Fehler: Sich für die Genesung des Erkrankten verantwortlich fühlen

Die Liebe für einen anderen Menschen kann so weit gehen, sich verantwortlich für dessen Genesung zu fühlen. Schlimmstenfalls wird dann wohlmeinend Druck auf den Erkrankten ausgeübt und ihm der Freiraum genommen, selbst herauszufinden, was gut und was schlecht für ihn ist und entsprechend zu handeln. Nicht immer verhält sich eine kranke Person gesundheitsförderlich. Und ganz bestimmt ist es schwer auszuhalten, zuzusehen, wenn sie sich in unserem Augen kontraproduktiv verhält. Aber es sollte nie vergessen werden: Jeder Mensch hat das Recht auf sein eigenes Leben.

3. Fehler: Ratschläge geben

Aus dem Kulturkreis der amerikanischen Ureinwohner stammt das Zitat: “Du kannst einen Menschen erst verstehen, wenn du eine Zeit lang in seinen Mokassins gegangen bist”. Das Problem ist: Wir können niemals in den Mokassins anderer gehen! Das bedeutet, die Idee: “Ich weiß genau was du fühlst (und brauchst)”, ist unangemessen – und demzufolge auch daraus resultierende Ratschläge. Schlimmstenfalls treiben sie den Erkrankten noch tiefer in die Depression.

Besser: Den Betroffenen nicht drängen. Du kannst Fragen stellen: “Was kann ich für dich tun?”, “Wie geht es dir damit?”, “Kann ich dich irgendwie unterstützen”, “Möchtest du Gesellschaft haben oder lieber alleine sein?”

4. Fehler: Dem Betroffenen nicht genug Ruhe lassen

Wer unter Depressionen leidet braucht viel Ruhe für die Auseinandersetzung mit sich selbst und für seine Selbstregulation. Es sollte sichergestellt sein, dass der erkrankte Mensch ausreichende Ruhezeiten bekommt, in denen er ungestört ist.

5. Fehler: Rückzugsbedürfnis als Beziehungsproblem werten

Dass sich jemand in Krankheitszeiten zurückzieht, ist nicht ungewöhnlich. Bisweilen fühlen sich Partner oder Freunde durch den Rückzug irritiert und verletzt und machen ihn zum Beziehungsthema. Das sollte möglichst vermieden werden.

6. Fehler: Vorwürfe machen

Wenn ein Mensch unter Depressionen leidet, ist unvermeidlich auch das Umfeld davon betroffen. Beziehungsdynamiken und Gewohnheiten verändern sich und liebgewonnene gemeinsame Rituale fallen dem Krankheitsgeschehen unter Umständen zum Opfer. Dass eine Partnerin oder ein Partner sich zurückgesetzt, einsam und vernachlässigt fühlt, ist verständlich. Aber Vorwürfe sind keinesfalls förderlich für die Situation.

7. Fehler: Sich selbst aus dem Fokus der Fürsorge verlieren

Wer einen geliebten Menschen an seiner Seite hat, der depressiv ist, neigt dazu, alles zu tun, damit es ihm besser geht. Leicht passiert es dabei, sich selbst aus dem Fokus zu verlieren und seine Lebensfreude aufs Spiel zu setzen. Aber das hilft niemandem. Die eigene Selbstsorge als Angehöriger sollte einen festen Platz im Leben haben. Dinge unternehmen, die Freude machen, Freunde treffen und sich eine Betroffenen-Selbsthilfegruppe zu suchen, macht das Herz wieder leichter und lädt mit neuer Kraft auf.

Wie wird eine Depression behandelt?

Die vorstehende, recht ausführliche Auflistung der Ursachen hat einen bestimmten Grund: Sie soll verdeutlichen, dass sich die Therapie einer Depression an ihrer Ursache orientieren muss. Und sie macht ebenfalls deutlich, dass Depression eine ernst zu nehmende Erkrankung ist, die durch pure Willenskraft oder positives Denken nicht überwunden werden kann.

Grundsätzlich ist Depression gut behandelbar. Gewöhnlich besteht die Behandlung aus einer Kombination von Medikamenten (Antidepressiva), Psychotherapie und ergänzenden medizinischen Interventionen. Welches Medikament verschrieben wird, hängt von den individuellen Symptomen, der Schwere der Depression, der medizinischen Vor- und Begleitgeschichte und anderen individuellen Bedürfnissen ab. Liegt eine Suizidgefährdung vor, kann eine stationäre Unterbringung erforderlich sein.

Depressionen natürlich und ohne Medikamente bekämpfen?

Spätestens bei der Frage: “Wie kann ich meine Depression bekämpfen?” kommen wir bereits mit dem Thema Achtsamkeit in Berührung – denn aus der Perspektive der Achtsamkeitspraxis bekämpfen wir gar nichts! Dabei spielt es keine Rolle, ob es um das Bekämpfen der Depression mit oder ohne Medikamente geht.

Von Depressionen betroffen zu sein, ist ein schweres Los. Wen wundert es, dass Betroffene diese Erkrankung am liebsten “abmurksen” würden. Aber … das Ansinnen, die Depression bekämpfen zu wollen, drückt die martialische innere Haltung aus, in einen Kampf gegen sich selbst zu treten. Der eigene Körper wird dadurch zum Feindesgebiet und Kriegsschauplatz erklärt – und das entspricht nicht der inneren Haltung der Achtsamkeitspraxis – die von Freundlichkeit und Mitgefühl geprägt ist.

Vielleicht ist eine achtsame Änderung im Bewusstsein der erste Schritt zur Heilung der Depression – oder wenigstens zur Linderung der Symptome. Achtsamkeit führt weg von der inneren Haltung, die Depression “bekämpfen” zu wollen. Im Gegenteil: sie fördert Milde, Mitgefühl und Selbstfürsorge. Sich achtsam und liebevoll um sich kümmern, statt sich zu bekämpfen. Wie fühlt sich das an?

Es ist in Ordnung, sich eine Pause zu gönnen, wenn das Leben überwältigend wird. Selbst die Sonne nimmt sich manchmal eine Auszeit und verweilt hinter den Wolken.

Natürliche Unterstützung im Depressionsgeschehen

Statt Depressionen zu bekämpfen, richten wir einmal den Fokus darauf, auf welche Weise dem inneren Heiler die Hand gereicht werden kann. Dies sind die gängigsten Empfehlungen für depressive Menschen:

  • Psychotherapie
  • Körperliche Aktivität
  • Schlafhygiene
  • Soziale Unterstützung
  • Gesunde Ernährung
  • Achtsamkeitstraining

Wenn du von dieser Erkrankung betroffen bist, schüttelst du angesichts dieser Tipps für Depressive vielleicht gerade den Kopf. Und beim genauen Hinsehen sind sie tatsächlich etwas fragwürdig.

Psychotherapie
Die Wartelisten guter Psychotherapeuten sind ellenlang. Ich hörte von Betroffenen, die über ein Jahr lang auf einen Therapieplatz warten sollen. Das Problem ist: die Not besteht … jetzt!

Körperliche Aktivität
Oft gehen Depressionen mit ausgeprägter körperlicher Schwäche, Müdigkeit und Antriebslosigkeit einher. Regelmäßige Bewegung würde das Depressionsgeschehen ganz sicher positiv beeinflussen. Aber je nach Schweregrad der Depressionserkrankung wird Bewegung für viele Betroffene nur schwer umsetzbar sein.

Schlafhygiene
Schlafstörungen sind häufige Begleiterscheinungen bei Depressionen. Guter Schlaf wäre hilfreich – aber eine unruhige Nachtruhe, ist leider oft Teil des Problems. Schlaf vor Mitternacht, tagsüber nicht zu schlafen, vor dem Zubettgehen zu lesen, statt fernzusehen und auch eine völlige Abdunklung des Schlafzimmers bringen für Depressive deshalb nicht immer den ersehnten gesunden Schlaf.

Soziale Unterstützung
Die mit der Erkrankung einhergehende bedrückte Stimmungslage fördert nicht gerade die Lust, fröhliche Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen. Zu der oft empfundenen Unzulänglichkeit kann sich das Gefühl gesellen, anderen mit seiner trüben Verfassung zur Last zu fallen – weshalb auch dieser Tipp wenig Aussicht auf Erfolg verspricht.

Gesunde Ernährung
Wer unter Depressionen leidet, neigt dazu, zu wenig oder zu viel zu essen, das Falsche zu essen und/oder zur falschen Zeit zu essen. Eine gesunde Ernährungsweise könnte sich sehr positiv auf die depressive Symptomatik auswirken – aber leider ist ein aus dem Gleichgewicht geratenes Essverhalten auch wieder Teil des Problems.

Solche Maßnahmen verschaffen bestenfalls eine leichte Linderung. Im ungünstigsten Fall dienen sie Betroffenen sogar dazu, in ihrem Zustand zu verharren, ohne sich mit den Ursachen oder den die Depression begleitenden schädlichen Denkweisen auseinanderzusetzen.

Hilfe ohne Nebenwirkungen bei Depression: Achtsamkeits-Training

Mittlerweile gibt es viele gut ausgebildete Achtsamkeitstrainer und MBSR-Lehrer, die Achtsamkeits-Kurse bzw. MBSR-Kurse anbieten. Solch einen Kurs zu buchen, ist Hilfe zur Selbsthilfe. Man muss keine langen Wartezeiten aushalten, sondern erfährt zeitnah Hilfe und Unterstützung in seinem seelischen Leid.

Die Wirkungen von Achtsamkeitstraining auf Depressionen sind mittlerweile gut wissenschaftlich untersucht und absolut ermutigend. Mittels Achtsamkeit nehmen Betroffene auf ihre Denkprozesse Einfluss, die (je nach Ursache) depressive Stimmungslagen begünstigen oder die Folge einer körperlichen oder psychischen Primärerkrankung sind.

Mit Achtsamkeit aus der Depression: Was ist dran?

Als der Medizin-Professor Jon Kabat-Zinn Ende der siebziger Jahre sein achtsamkeitsbasiertes Stressbewältigungsprogramm MBSR (Mindfulness Bases Stress Reduction) entwickelte und evaluierte, stellten die Wissenschaftler erstaunt fest, dass die Achtsamkeitspraxis heilsame Wirkungen bei von Depressionen betroffenen Menschen zeigte.

Das ist nicht verwunderlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Depressionsgeschehen häufig von “dysfunktionalen” Denkweisen begleitet – oder sogar von ihnen verursacht wird. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Depressive oft überhöhte Ansprüche an sich selbst, andere und das Leben haben.

Von Depression Betroffene weisen häufig eine geringe Frustrationstoleranz auf, was es ihnen schwer macht, Diskrepanzen zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu ertragen, die natürlicher Bestandteil des Lebens sind. Begleitend ist immer das ohnmächtige Gefühl, im Hamsterrad des Grübelns gefangen zu sein: Die Gedanken kreisen unaufhörlich und scheinen ein unkontrollierbares Eigenleben zu führen.

Psychische Kräfte stärken um depressive Episoden zu vermeiden

Im Zuge eines Achtsamkeitstrainings lernen Menschen mit Depressionsneigung, ein gesundes Selbst- und Weltbild zu entwickeln. Achtsamkeits-Meditationen, spezielle Achtsamkeitsübungen im Alltag und achtsame Selbstreflexion stärken die psychische Widerstandskraft und die Lebensfreude. Durch die erlernte achtsame Selbstbeobachtung bemerken Betroffene beginnende depressionsfördernde gedankliche Abwärtsspiralen frühzeitig und können gegensteuern, bevor die Situation sich verselbständigt und in einer depressiven Episode mündet.

Achtsamkeit kann dir neue Sichtweisen auf dich selbst und das Leben bescheren - je nachdem, wie sehr du dich darauf einlässt.

Was sind Achtsamkeit & Achtsamkeitstraining

Die ermutigenden Auswirkungen eines gewöhnlichen systematischen Achtsamkeitstrainings auf depressive Menschen führten sogar zu einem speziellen Achtsamkeits-Programm zur Rückfallprophylaxe bei Depressionen, dem MBCT (Mindfulness Based Cognitive Therapie).

Das MBCT wurde aus dem MBSR-Programm entwickelt und umfasst die gleichen Prinzipien und ebenfalls ein systematisches Achtsamkeitstraining wie beim MBSR mit dem Unterschied, dass beim MBCT das Depressionsgeschehen im Mittelpunkt steht.

Zentraler Wirkfaktor jedes Achtsamkeitstrainings ist natürlich … Achtsamkeit. Achtsamkeit ist ein freundliches, nicht-urteilendes Gewahrsein, das wahrnimmt, was in einem und um einen herum geschieht – während es geschieht.

Im Achtsamkeitstraining entwickeln die Teilnehmer durch Achtsamkeitsmeditation und spezielle Achtsamkeitsübungen systematisch ein achtsames Gehirn. Sobald der Geist stabil genug ist, üben sie, gezielten Einfluss auf ihre Denk- und Wahrnehmungsprozesse zu nehmen, um Rückfälle in die Depression zu verhindern.

Wie Achtsamkeit hilft, Wege aus der Depression zu finden

Eines der Hauptprobleme von Depressionen sind die nicht endenden, immer wieder von vorne beginnenden, abwärts gerichteten Grübelspiralen. Im psychologischen Kontext benennt man diese Situation treffend mit einem Begriff aus der Zoologie: Rumination. Ruminieren ist das Wiederkäuen von immer wieder hochgewürgter Nahrung. Aber anders als im Tierreich trägt das Ruminieren bei depressiven Menschen nicht zur Verdauung und konstruktiven Verarbeitung von Gedanken bei.

Achtsamkeit hilft den Betroffenen, den Beginn des Grübelkreisens zu bemerken und eine innere Distanz zu den Gedanken einzunehmen. Diese Beobachterposition verhindert, sich mit den Denkprozessen zu identifizieren und von ihnen überwältigt zu werden.

Aus der Position des inneren Beobachters können Gedanken als Gedanken und nicht als Tatsachen oder Wahrheiten erkannt werden. Der Achtsamkeit Praktizierende lernt zunehmend, nicht jedem Gedanken zu glauben, den das Gehirn ausspuckt, und er versteht auch nicht mehr jeden Gedanken als Handlungsauftrag. Das bringt Ruhe, Klarheit und Stabilität in den Geist und wirkt sich heilsam auf das Depressionsgeschehen aus.

Ist der Geist durch die Achtsamkeitsmeditation ruhig und stabil geworden, können depressionsfördernde Grundannahmen, Denk- und Gefühlsmuster erkannt und durch hilfreichere Denk- und Fühlweisen ersetzt werden.

Mit geistigen Vorgängen vertraut werden

Ein Achtsamkeitstraining vertieft auch das Verständnis für geistige Vorgänge im Zusammenhang mit der Erkrankung Depression. Betroffene lernen zum Beispiel, dass es zwei geistige Modi gibt: den Modus des Seins und den Alltags-Modus des (getriebenen) Tuns. Beide Modi sind wichtig aber nicht jeder Modus ist für jede Situation geeignet. Der klassische Depressions-Mechanismus besteht darin, dem zwanghaften Grübeln mit den Mitteln des Tun-Modus entkommen zu wollen. Die verstärkten Anstrengungen, sich durch noch mehr Tun (= noch mehr Denken), aus der Misere befreien zu wollen, bewirken jedoch genau das Gegenteil.

Der Tun-Modus ist der falsche “Gang” im Depressionsgeschehen. Wer einmal beim Autofahren im zweiten Gang anfahren wollte oder im ersten Gang um eine Kurve gehoppelt ist, der weiß, was es bedeutet, im “falschen Gang” unterwegs zu sein.

Stoppen und Innehalten, die Mittel des Sein-Modus, sind bei aufkommenden depressionsfördernden Gedanken hilfreich, um Klarheit über die Situation zu bekommen und den Prozess zu stoppen, indem der Geist mit Hilfe von Achtsamkeit in andere Kanäle gelenkt wird. Ein achtsames Gewahrsein ist darauf trainiert, mit beiden Modi vertraut zu sein und es verfügt über die Fähigkeit, bei Bedarf den Modus zu wechseln. Auf diese Weise wird das Abrutschen in die Depression vermieden.

Therapie von Depressionen mit Achtsamkeitstraining natürlich unterstützen

Wie bereits erwähnt, ist Depression eine medizinische Erkrankung, die nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Eine Therapie sollte deshalb immer in Erwägung gezogen werden – und manchmal ist sie sogar unabdingbar, zum Beispiel, wenn der Depression ein Trauma zugrunde liegt.

Mit folgenden Therapien werden Depressionen gewöhnlich natürlich unterstützt: Gesprächstherapie (vor allem zur Bearbeitung einer möglichen Suizidalität), Verhaltenstherapie, Kognitive Therapie, Psychoanalyse, Hypnotherapie nach Erickson. Weitere natürliche Empfehlungen wurden bereits weiter oben besprochen.

Die Therapien von Depressionen ziehen sich oft über lange Zeiträume hin und die Betroffenen sind mit dem Ergebnis oft nicht zufrieden. Beispielhaft ist diese Aussage eines unserer Kursteilnehmer: “Der Achtsamkeits-Kurs bei dir hat mir mehr gebracht als zwei Jahre auf der Couch.”

Viele positive Erfahrungen zeigen, dass eine Psychotherapie zur Depressions-Rückfallprophylaxe durch Achtsamkeitstraining natürlich unterstützt werden kann.

Rückfallprophylaxe dank Achtsamkeit

Was tun, um einen Rückfall in die Depression zu vermeiden? Zur Rückfallprophylaxe bei Depression gibt es verschiedene Empfehlungen, die natürlich immer die Situation und die individuellen Bedürfnisse eines Betroffenen berücksichtigen sollten.

Zum einen gibt es die Möglichkeit einer Therapie mit oder ohne medikamentöser Unterstützung. Sie kann dabei helfen, Rückfälle zu vermeiden und bestimmte Bewältigungsstrategien gegen erneute depressive Episoden zu erlernen.

Zum anderen sind da die bereits erwähnten Einflussnahmen auf den Lebensstil in Richtung einer gesunden Lebensweise: körperliche Aktivität, ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf, Stressmanagement, Vermeidung von Isolation durch Unterstützung von Familie, Freunden und/oder einer Selbsthilfegruppe.

Frühwarnzeichen durch Achtsamkeit rechtzeitig erkennen

Besonders wichtig ist das Erkennen von Frühwarnzeichen eines Rückfalls in die Depression. Für solche Situationen lautet der gängige Ratschlag, einen Rückfallplan mit hilfreichen Strategien zur Bewältigung der Situation parat zu haben, der mit dem Therapeuten erarbeitet wurde.

Aber auch hier ist Achtsamkeit der Dreh- und Angelpunkt. Betroffene wenden sich bei ersten unbehaglichen Gefühlen, die einen Rückfall in die Depression ankündigen könnten, gewöhnlich meistens ab. Das ist ein natürlicher aber wenig hilfreicher psychischer Mechanismus. Dann wird so lange versucht, die Situation durch Verdrängung oder gedankliche Disziplin (Tun-Modus) in den Griff zu kriegen, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Im Achtsamkeitstraining hingegen, lernen die Betroffenen, sich nicht abzuwenden – sondern sich dem Unbehagen mitfühlend zuzuwenden. Das ist ein mutiger Schritt, der systematisch eingeübt werden muss. Aber er stellt die beste Prophylaxe dar, denn nur durch diese Vorgehensweise kann der sich ankündigende Rückfall frühzeitig bemerkt und gestoppt werden.

Mit Achtsamkeitstraining die Wartezeit zur Therapie überbrücken

Wenn du von Depressionen betroffen bist und auf eine Therapie wartest, könntest du die Zeit für ein Achtsamkeitstraining, einen MBSR-Kurs oder einen MBCT-Kurs nutzen. Du wirst eine unmittelbare Erleichterung spüren, denn ein Kurs in Achtsamkeit kann dir völlig neue Sichtweisen auf dich selbst und das Leben bescheren – je nachdem, wie sehr du dich darauf einlässt.

An dieser Stelle ist der Tun-Modus der hilfreichere Gang 🙂 Die Kraft für solch einen Achtsamkeitskurs aufzubringen wird sich als lohnenswert für dich erweisen. Indem du proaktiv wirst, überwindest du die Hilflosigkeitsgefühle, die das Depressionsgeschehen oft mit sich bringen und erhöhst stattdessen das Gefühl deiner Selbstwirksamkeit. So wird sich die Wartezeit bis zu deiner Therapie für dich auszahlen, weil ein Achtsamkeitstraining viele Aha-Erlebnisse und mehr Leichtigkeit in dein Leben bringt.

So hilft Achtsamkeit Angehörigen und Begleitpersonen von Depressiven

Umfragen zeigen, was Betroffene fortlaufend zu spüren bekommen: Es herrschen viel Unwissenheit und Fehlinformationen über die Erkrankung Depression. Und auch in der Frage, wie man depressive Menschen unterstützen kann, besteht nicht nur bei Angehörigen, sondern auch bei Ärzten oft eine gewisse Ratlosigkeit. Aus diesem Grund sind entsprechende berufliche Fortbildungen so wichtig.

Nicht nur für Menschen mit Depressionen, sondern auch für ihre Angehörigen oder ihre Begleitperson kann Achtsamkeitstraining wichtig sein. Es hilft ihnen, eine depressive Person mitfühlend zu begleiten und sich gegebenenfalls auch abzugrenzen. Angehörige lernen durch die Praxis der Achtsamkeit, gut für andere und für sich selbst zu sorgen, emotional stabil zu bleiben und auch angesichts schwieriger Umstände die eigene Lebensfreude zu bewahren.

Achtsamkeit & Meditation bei Depressionen

Vorurteile: Sind Achtsamkeitstraining und Meditation bei Depressionen gefährlich?

Unzählige Erfahrungen zeigen, dass Achtsamkeit und Achtsamkeitsmeditation bei der Behandlung von Depressionen gute Dienste leisten, weil sie sich positiv auf depressive Symptome auswirken. Also: keine Angst vor Meditation bei Depression! Parallel zu diesen persönlichen Erkenntnissen gibt es auch viele wissenschaftliche Studien, die sich mit der Wirkung von Meditation auf Depressionen beschäftigen.

Mehrere Meta-Analysen, randomisierte kontrollierte Studien, Langzeit- und Vergleichsstudien haben gezeigt, dass achtsamkeitsbasierte Meditation bei der Reduzierung von depressiven Symptomen hilfreich sein kann. In einigen Fällen wurden durch Meditation sogar vergleichbare Ergebnisse wie beim Einsatz antidepressiver Medikamente erzielt. Besonders bemerkenswert sind Studien, die zeigen, dass Meditation ähnlich effektiv sein kann wie andere etablierte Behandlungsformen für Depressionen.

Manche Vorurteile in Bezug auf Achtsamkeitstraining und Meditation beziehen sich möglicherweise auf bestimmte Formen von Meditation. Die Aussagen im Kontext dieses Beitrags beziehen sich ausschließlich auf das Achtsamkeitstraining und die Achtsamkeitsmeditationen der traditionellen buddhistischen Achtsamkeitspraxis.

Inmitten des Winters habe ich gelernt, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer wohnt.

Meditation ist anders, als du denkst

Mein wundervoller Lehrer Jon Kabat-Zinn sagte am Anfang meiner Ausbildung, Meditation sei anders als die meisten denken. Damit bezog er sich auf die Vorurteile und Missverständnisse, die viele Menschen über Meditation haben. Er machte deutlich, dass die Achtsamkeitsmeditation nicht den Klischees entspricht, die manchmal damit verbunden werden. Zum Beispiel die Vorstellung einer räucherstäbchennebelumwölkten Person, die mit abgeschaltetem Verstand im vollständigen Lotussitz auf einem Meditationskissen sitzt und ihre Atemzüge zählt, als wäre ihr einer abhandengekommen.

Manche halten Meditation und Achtsamkeit für komplizierte mystische Praktiken aus fremden Kulturen und haben Angst vor Gehirnwäsche oder religiöser Indoktrination. Nichts davon trifft auf die Meditation der traditionellen buddhistischen Achtsamkeits-Tradition zu.

Im Gegenteil: Achtsamkeitsmeditation hat mehr Ähnlichkeit mit Neurowissenschaft und Psychologie als mit Religion. Sie ist ein Bewusstseinstraining; eine leicht zu erlernende Praxis mit dem Ziel, die achtsame Präsenz und Aufmerksamkeit in den gegenwärtigen Moment zu bringen, um ihn vollständig zu erfahren. Auf diese Weise ist Meditation bei Depressionen ein Weg, sich selbst auf eine unvoreingenommene Weise zu erkunden, um zu Selbsterkenntnis, innerer Ruhe, Klarheit und Zufriedenheit zu finden.

Achtsamkeitstraining und Meditation können dazu beitragen, den Geist zu beruhigen, Stress abzubauen und das Wohlbefinden zu verbessern. Und vor allem helfen sie dabei, depressionsfördernde Gedankenmuster zu erkennen und aufzulösen.

Unsere Erfahrungen bei Achtsamkeitstraining & Meditation: Was du beachten solltest

Im DFME haben wir im Laufe der vergangenen 20 Jahre durch unsere Achtsamkeitstrainer-Ausbildung, unsere Achtsamkeits-Kurse und Achtsamkeits-Coachings einige Erfahrungen mit Achtsamkeitstraining und Meditation bei Depressionen gesammelt. Dies erscheint uns besonders wichtig:

  • Eine akute depressive Episode gehört in therapeutische Hände. In der Therapie kann gemeinsam mit dem Betroffenen geklärt werden, ob Achtsamkeitstraining und Meditation in der derzeitigen Situation sinnvolle Maßnahmen sind.
  • Auch wenn nur eine leichte Depressionsneigung besteht, können Achtsamkeitstraining und Meditation eine echte Herausforderung sein. Um sich in der mutigen Hinwendung auf das vollständige Ausmaß der eigenen Gedanken und Emotionen nicht alleine zu fühlen, empfehlen wir von Depression betroffenen Personen, Meditation und Achtsamkeit bei einem qualifizierten Achtsamkeitstrainer oder im Rahmen eines MBSR- bzw. MBCT-Kurses zu lernen.
  • Achtsamkeitstraining und Meditation sind kein Therapieersatz für Depressionen. Als Teil eines umfassenden Behandlungsplanes können sie jedoch wahre Wunder bewirken.

Fazit: Raus aus der Depression – Rückfälle durch Achtsamkeit vermeiden

Es liegt schon eine gewisse Ironie darin, dass sich Depressionen vor allem in den reichen Industrienationen mit all ihren Möglichkeiten, ihrem Komfort und ihrer Sicherheit epidemisch ausbreiten. Vielleicht führen all unser Luxus und unsere Freiheiten unbemerkt zu mehr Abhängigkeiten und empfundenen Beschränkungen.

Vor allem aber sind wir “zu doof zum Leben”, wie der Psychotherapeut Dr. Walther Lechler es einst augenzwinkernd nannte. Mit dieser Aussage bezog er sich darauf, dass uns niemand gelehrt hat, was ein gutes Leben bedeutet.

Und in der Tat haben die meisten von uns weder zu Hause noch in der Schule etwas über die Dinge gelernt, die dafür wichtig sind. Wir wissen wenig über Psychologie, Pädagogik, Kommunikation, Erfolg, Gesunderhaltung von Körper, Geist und Seele, Stressbewältigung – und vor allem nichts darüber, wie wir unser Gehirn benutzen können, um glücklich zu sein.

Die Praxis der Achtsamkeit ist eine Einladung, all das nachzuholen. Unbestechlich rückt sie alle Aspekte unsers Lebens in den Fokus, damit wir sie erforschen und herausfinden können, was zu unserer Zufriedenheit, zu unserer Gesundheit und zu unserem Glück beiträgt – und was nicht.

Gerade im Depressionsgeschehen ist die buddhistische Achtsamkeitspraxis deshalb von unschätzbarem Wert.

© Doris Kirch | 2023