Innere Unruhe ist ein ebenso bekannter wie unbeliebter Begleiter jeder Meditation. Auch in der Achtsamkeitsmeditation kann sich ein unruhiger Geist als echter Störenfried erweisen. Mit meinen Expertentipps wird es dir gelingen, die nervöse Anspannung loszulassen und deine Meditation zu genießen.

Was tun bei innerer Unruhe?

Meine Expertentipps im Überblick:

  1. Bau keine Widerstände gegen die innere Unruhe auf
  2. Mach die Ruhelosigkeit selbst zum Meditationsobjekt
  3. Zähme den getriebenen Geist mit Hilfe des achtsamen Atmens

Achtsamkeits-Podcast

Innere Unruhe kann in jeder Meditation auftauchen

Ich kenne keine Meditationsform, bei der innere Unruhe nicht irgendwann einmal als unerwarteter Besucher auftaucht. Da ich Achtsamkeitslehrerin bin, beziehen sich meine Tipps auf den Umgang mit nervöser Anspannung beim Meditieren auf die buddhistische Achtsamkeitsmeditation (Vipassana-Meditation).

Aber diese Tipps können auch hilfreich für dich sein, wenn du eine andere Meditationsform praktizierst.

Wenn Geist und Körper hibbelig sind

In der Meditation kann Unruhe wie ein riesiges Problem erscheinen. Die Gedanken kreisen sorgenvoll um Vergangenes und Zukünftiges, während es im Körper hier und dort drückt, zwickt, juckt oder schmerzt.

Man schiebt seinen Hintern auf dem Kissen gequält hin und her, in dem verzweifelten Versuch, irgendeine Position zu finden, die die nervtötende innere Verfassung beendet. Der sehnliche Wunsch, dieser Situation schnellstmöglich entkommen zu wollen, führt uns direkt zum ersten Tipp.

Tipp 1:
Bau keine Widerstände gegen die Unruhe auf

Das hört sich trivial an – aber in den über zwanzig Jahren, in denen ich Achtsamkeitstrainer ausbilde, erweist sich der innere Widerstand fast ausnahmslos als die größte Hürde. Denn der sicherste Weg, das Unbehagen zu vergrößern, ist, es um jeden Preis weg haben zu wollen.

Natürlich ist der Wunsch nach Ruhe in der Meditation nachvollziehbar und völlig normal. Aber ebenso normal ist es, dass der Geist in Ruhe zu rotieren beginnt. Das hängt mit der Funktionsweise des Gehirns zusammen.

Ich sage zu diesem Widerstand gerne:

Zitat Doris Kirch

Akzeptanz fördert innere Ruhe und Gelassenheit

Eine der Haltungen der Achtsamkeit, die das Fundament der Achtsamkeitspraxis bilden, ist die Akzeptanz. Sie lädt uns dazu ein, den geistigen Zustand wahrzunehmen, wie er ist. Im Fall des Unruhigseins anzuerkennen, dass Unruhe da ist.

Das bedeutet nicht, dass wir nichts dagegen unternehmen sollen – aber der erste Schritt ist, leidenschaftslos anzuerkennen, wenn du dich gerade von Besorgnis und Anspannung gepiesackt fühlst. Diese Akzeptanz für sich genommen, bringt schon mal eine gewisse Entspannung – zumindest vergrößert sie die Ruhelosigkeit nicht unnötig.

Wenn du also innere Erregung wahrnimmst, dann achte darauf:

  • mach sie nicht zu deinem Feind (kämpfe nicht gegen sie an)
  • mach sie nicht größer als sie ist
  • mach dich nicht zu ihrem Opfer
  • laufe nicht vor ihr davon
  • sieh in der Unruhe des Geistes eine gewisse Normalität

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Tipp 2:
Mach die Ruhelosigkeit selbst zum Meditationsobjekt

Erregtheit und Nervosität sind keine Seltenheit in der Achtsamkeitsmeditation. Sogar der Buddha machte damit seine Erfahrungen und benannte die Ruhelosigkeit als eines der Fünf Hindernisse, die Praktizierenden während der Meditation widerfahren können. In der Achtsamkeitsmeditation spielt der Umgang mit den Fünf Hindernissen (oder auch Fünf Hemmnissen) eine wichtige Rolle.

Erfahre hier mehr über die Fünf Hemmnisse …

Eine Umgehensweise mit diesen Störungen ist, sie selbst zum Meditationsobjekt zu machen. Statt sich an inneren Widerständen abzuarbeiten, gehen wir unvoreingenommen und mit einer fast wissenschaftlichen Neugierde an die Unruhe heran und untersuchen sie wie ein Objekt unter dem Mikroskop:

  • Welche Eigenschaften kannst du in der Unruhe entdecken?
  • Wo im Körper macht sie sich bemerkbar?
  • Welche Gedanken begleiten die innere Rastlosigkeit? Sorgen? Zukünftiges? Vergangenes?
  • Was geschieht, wenn du das Licht des Gewahrseins auf den überreizten Geist richtest, ohne einzugreifen?
  • Wie ist die Intensität der Unruhe? Verändert sie sich? Bleibt sie gleich?
  • Was geschieht in dem Moment, in dem du akzeptierst, dass diese Aufgeregtheit da ist?

Du wirst merken, dass diese achtsame Haltung des Beobachters, die du dabei einnimmst, ebenfalls zur Entspannung der Lage beiträgt. Der Grund dafür ist, dass du dich nicht mehr emotional mit dem Geschehen identifizierst. In der psychologischen Fachsprache nennt man diesen Vorgang Disidentifikation.

 

Tipp 3:
Zähme den getriebenen Geist mit Hilfe des achtsamen Atmens

Einem umtriebigen Geist begegnet man am besten mit Sammlung. Dazu gibt man ihm die Möglichkeit, sich auf etwas Bestimmtes zu fokussieren, statt sich in sorgenvollen Gedanken über Vergangenes oder Zukünftiges zu verlieren. Als gutes Meditationsobjekt zur Sammlung eignet sich die Ausrichtung auf den Atem.

Als ich vor 35 Jahren mit der Zen-Meditation (Zazen) begann, bekam ich auch die Anweisung, meine Atemzüge von eins bis zehn zu zählen und dann wieder von vorne zu beginnen. Manchmal merkte ich erst bei 100, dass mein Geist schon wieder überall war – nur nicht im Hier und Jetzt.

Die Atemzüge zählen

Damit dir das nicht auch so geht, schlage ich dir eine trickreiche alternative Zählweise vor:

  • Atme ein und aus und zähle „eins“. Atme wieder ein und aus und zähle „zwei“. Setze das fort bis zehn.
  • Anschließend zählst du auf die gleiche Weise rückwärts.
  • Beginne dann den Zyklus erneut;
    zähle diesmal aber nur bis neun (und wieder zurück).
  • Beim nächsten Zyklus zählst du bis acht.
  • Gehe bis auf fünf und beginne die Übung dann wieder mit zehn.

Du wirst merken, dass die Beobachtung des ruhiger werdenden Atemrhythmus sich beruhigend auf den Geist und den Körper auswirken.

Ergänzende Hinweise:

  • Kultiviere dein achtsames Gewahrsein systematisch damit du Zerstreutheit bereits bei den ersten Anzeichen erkennst, denn im Anfangsstadium ist es leichter, der Unruhe beizukommen.
  • Entwickle eine entspannte innere Haltung zum Geschehen und sei dir bewusst, dass dieses Hindernis ein Übungsobjekt zur Stärkung deiner Achtsamkeitspraxis ist (bzw. sein kann, wenn du klug damit umgehst).
  • Wenn du häufig unruhig in der Meditation bist, könnte ein kleiner Workout dafür sorgen, „runterzukommen“. Mach vor dem Meditieren ein paar Körperübungen, gehe Joggen, tanze oder praktiziere Gehmeditation.

Mögen diese Tipps hilfreich für dich sein, damit deine Achtsamkeitspraxis sich entfaltet, wie ein Lotus in der Sonne.

© Doris Kirch