Achtsamkeitsübungen in den Alltag zu integrieren ist einfach aber nicht immer leicht. Anfänger machen vor allem den Fehler, zu viel auf einmal zu wollen. Erfahre, wie deine Achtsamkeitspraxis wachsen und gedeihen kann.

Es hört sich so leicht an, Achtsamkeit zu praktizieren. Das Internet und Bücher sind voll von tollen Ideen, wie man Achtsamkeit am Arbeitsplatz, in der Familie oder ganz für sich selbst üben kann. Doch die Versuche, diese Anregungen umzusetzen, enden nicht selten im Frust.

Als Achtsamkeitslehrerin werde ich oft gefragt: „Was mache ich falsch mit den Achtsamkeitsübungen; wieso klappt das bei mir nicht?“ Wer mit seinen Bemühungen gescheitert ist, stellt nicht selten die ganze Praxis der Achtsamkeit in Frage – zumindest aber sich selbst.

Wenn es dir gerade auch so geht, kann ich dir versichern: Die Ursachen liegen weder in der Achtsamkeitspraxis, noch bei dir. Viel wahrscheinlicher ist, dass dir einer der Fehler unterlaufen ist, den viele Anfänger beim Üben von Achtsamkeit machen.

Achtsamkeitsübungen

Zu viel wollen ist der Fehler bei Achtsamkeitsübungen

Wer sich mit Begeisterung seinen ersten Achtsamkeitsübungen zuwendet, dessen Enthusiasmus spiegelt sich oft in der Größe des Herausforderungsgrades dieser Übungen wider. Spitzenreiter des vorprogrammierten Scheiterns sind zum Beispiel Vorhaben wie die Fahrt zur Arbeit, Unkrautjäten im Garten oder die Zubereitung oder das Essen einer Mahlzeit.

Solche Vorhaben sind störanfällig, weil sie zu komplex sind und zu lange dauern. Aus der Meditations- und Bewusstseinsforschung wissen wir, dass es für einen Ungeübten in Sachen Achtsamkeit unmöglich ist, einen konstanten Zustand des Gewahrseins im Hier und Jetzt über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten. Viele Neulinge nehmen sich jedoch genau das vor und wundern sich dann, wenn es nicht funktioniert.

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Die Komplexität und Dauer von Achtsamkeitsübungen reduzieren

Wenn du dir eine Alltagsübung zum Entwickeln von Achtsamkeit ausgesucht hast und merkst, dass es dir nicht gelingt, die ganze Zeit über präsent zu bleiben, dann reduziere also diese Übung einfach. Zerlege sie in kleinere Schritte – und zwar so lange, bis es klappt, bei der Achtsamkeitsübung mit der Aufmerksamkeit dabeizubleiben. Du wirst vielleicht erstaunt sein, wie weit du die Übung verringern musst.

Unser Gehirn lernt Achtsamkeit besser in vielen kleinen Schritten als in wenigen großen. Was den Erfolg bringt, ist die fortwährende Aktivierung der neuronalen Netzwerke innerhalb unseres Gehirns, die für das Entwickeln von achtsamer Präsenz zuständig sind.

Es ist ein Fehler, Anfängern das Essen einer Mahlzeit als Achtsamkeitsübung zu empfehlen. Solch eine Achtsamkeitsübung ist sogar für einen geübten Achtsamkeit Praktizierenden eine echte Herausforderung.

Ich hingegen empfehle, sich auf den ersten Bissen beziehungsweise den ersten Schluck zu fokussieren. Wer das macht merkt: Das ist schwierig genug.

Probleme mit Achtsamkeitsübungen

Es ist ein Fehler, zu komplexe Achtsamkeitsübungen zu wählen.

Selbsterfahrung einer Achtsamkeitslehrerin

Einer dieser kleinen „Reminder“ meines Alltags ist der Magnet-Seifenhalter im Badezimmer. Bei dieser Konstruktion presst man ein spezielles rundes Metallplättchen in ein Stück Seife. Das so präparierte Seifenstück wird zum Befestigen von unten gegen eine an der Wand montierte, mit einem Magneten versehene Halterung gedrückt.

Der Magnet ist nicht allzu stark. (Man will ja die Halterung nicht aus der Wand reißen, wenn man nach der Seife greift). Die Folge des etwas schlappen Magneten ist: Positioniere ich das im Seifenstück enthaltene Metallplättchen nicht genau mittig unter dem Magneten, fällt es wieder herunter. Es fällt auch durch die entstehende Unwucht herunter, wenn ich die Hand nach dem Absetzen des Seifenstücks zu schnell wegziehe.

Der Prozess verlangt also eine bedachte, sanfte und entschleunigte Vorgehensweise. Dadurch komme ich gar nicht drumherum, meine Aufmerksamkeit beim Händewaschen jedes Mal ganz bewusst auf die achtsame Rückführung der Seife zum Halter zu richten.

Oft gelingt es mir, die an dieser Stelle aufgebaute Achtsamkeit mit in die folgenden Aktivitäten zu nehmen. Eine nette Nebenwirkung der eigentlichen Übung, das Stück Seife an der Halterung zu positionieren.

Auch kleine Achtsamkeitsübungen können gute Lehrer sein

Ein Freund von mir (der keine Achtsamkeit praktiziert), dem ich schmunzelnd von meiner Interaktion mit dem Seifenhalter erzählte, schlug vor, ich solle mir einen neuen Seifenhalter mit einem stärkeren Magneten zulegen, um „dem Stress ein Ende zu machen“.

Er muss erst noch lernen, wie hilfreich – und durchaus auch erheiternd – es sein kann, (vermeintlichen) Schwierigkeiten mit Achtsamkeit zu begegnen  🙂

Achtsamkeitsübungen klug anwenden, um Fehler zu vermeiden

Wenn du nicht solch einen schönen „Achtsamkeits-Seifenhalter“ besitzt wie ich, dann frage dich: „Welche Verrichtungen des Alltags kann ich dafür nutzen, um mich immer wieder in die Haltung der Achtsamkeit zurückzubringen?“

Vielleicht ist es

  • der Moment bevor du morgens die Beine aus dem Bett schwingst
  • das Zudrehen der Zahnpasta-Tube
  • der erste Schluck des ersten Getränks am Morgen
  • das Abschließen der Tür, wenn du das Haus verlässt
  • das Entwerten deines Fahrscheins im Automaten
  • das Ein- und Ausatmen an einer roten Ampel

Alles, was dir im Alltag begegnet, kannst du zur Achtsamkeitsübung machen, einfach indem du deine Aufmerksamkeit darauf richtest und dich für diesen kurzen Moment mit deinem Atem verbindest.

Es ist ein Fehler zu glauben, dass Achtsamkeitsübungen im Alltag besser wirken, je umfangreicher sie sind. Die Praxis der Achtsamkeit ist auch eine Praxis der Einfachheit, der Leichtigkeit und der Freude.

Anleitungen für weitere Achtsamkeitsübungen

Achtsamkeitsmeditation
Bodyscan
Bergmeditation
1-Minute-Meditation
Rosinenübung (achtsames Essen)
Gehmeditation

© Doris Kirch, 2018