Mit dem Konzept der Drei Siebe des Sokrates bringst du mehr Achtsamkeit in deine Kommunikation. Achtsame Kommunikation senkt zwischenmenschlichen Stress. Und du stärkst deine eigene Achtsamkeitspraxis, indem du das Wahre, Gute und Schöne im Austausch mit anderen zum Ausdruck bringst.

Achtsamkeits-Podcast

Deine achtsame Kommunikation mit den drei Sieben des Sokrates vertiefen

Möchtest du mehr Achtsamkeit in deine Kommunikation bringen und weißt nicht wie? Dann geht es dir vermutlich wie den Teilnehmern am Beginn unserer Achtsamkeits-Kurse und unserer Achtsamkeitstrainer-Fortbildung: Für alle ist die achtsame Kommunikation ein wichtiges Thema.

Warum das so ist, liegt auf der Hand: Die Art und Weise, wie wir gewöhnlich kommunizieren, birgt ein großes Potenzial an Irritationen und ungewollten verbalen Verletzungen. Zwischenmenschliche Kommunikation ist kompliziert und das macht den Austausch mit anderen hochgradig anfällig für Stress.

Achtsame Kommunikation ist keine Methode

Ich vermittle achtsame Kommunikation übrigens nicht als „konzeptuelle Methode“ (wie das zum Beispiel bei der Gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg der Fall ist), sondern ich lehre sie als geistige Qualität, also als innere Haltung. Um innere Haltungen zu verändern, ist kognitives Wissen allein oft nicht hilfreich. Deshalb nutze ich ergänzend gerne Zitate, Aphorismen und Weisheitsgeschichten.

Podcast: Einführung in die Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg →

Was sind die drei Siebe des Sokrates?

Die drei Siebe des Sokrates ist eine Weisheitsgeschichte in Form eines fiktiven Dialoges, der den analytischen Geist umgeht und eine bestimmte Lebensweisheit unmittelbar erfahrbar macht. So geht die Geschichte:

Die Drei Siebe des Sokrates

Eines Tages kam ein Mann zum weisen Sokrates gelaufen und sagte: „Hey Sokrates, ich muss dir etwas erzählen!“

„Einen Moment“, unterbrach ihn der Weise, „Hast du das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe gesiebt?“

„Drei Siebe?“, frage der Mann voller Verwunderung.

„Ja, guter Freund! Lass uns sehen, ob das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe hindurchgeht: Das erste Sieb ist die Wahrheit. Hast du das, was du mir erzählen willst, geprüft? Bist du dir sicher, dass es wahr ist?“

„Nein, ich habe es erzählt bekommen…“

„Na gut. Aber sicher hast du es mit dem zweiten Sieb geprüft. Das zweite Sieb ist das der Güte. Wenn es nicht sicher wahr ist, was du mir erzählen möchtest, ist es wenigstens gut?“

Zögernd sagte der andere Mann: „Nein, ganz im Gegenteil…“

„Dann”, unterbrach ihn der Weise, „lass uns auch noch das dritte Sieb anwenden. Ist es wichtig und notwendig, es mir zu erzählen, was dich so aufregt?“

„Notwendig nun gerade nicht… und wichtig auch nicht.“

„Also mein Freund“, lächelte der weise Sokrates, „wenn das, was du mir erzählen willst, weder wahr noch gut noch notwendig oder wichtig ist, so lass es lieber sein und belaste dich und mich nicht damit.“

Drei Siebe des Sokrates

So vertiefst du deine achtsame Kommunikation

Was bedeuten die drei Siebe des Sokrates?

Bei der Siebgeschichte geht es um drei Kernfragen:

  • Ist es wahr?
  • Ist es gut?
  • Ist es nützlich?

Das erste Sieb: Ist es wahr?

Wie wahr ist wahr? Viel Stress in unserem Leben entsteht, wenn wir auf das reagieren, was wir von anderen hören oder lesen. Denn oft gibt das, was uns mitgeteilt wird, nicht die Realität wieder, sondern das, was jemand darüber denkt – also seine Interpretation des Erlebten.

Mir hilft die Frage: „Ist es wahr?“ zum Beispiel im Umgang mit Medien auf eine sehr pragmatische Weise. Täglich werden Unmengen von Fake-News über uns ausgeschüttet und früher habe ich jede Nachricht geglaubt. Das ist übrigens menschlich, denn unser Gehirn hat die Tendenz, Geschriebenes ungeprüft für wahr zu halten.

Meinungsmache und Missverständnisse vermeiden

Die Siebgeschichte hat mir zu einer realitätsnäheren Haltung verholfen. Inzwischen halte ich mich offen für die Möglichkeit, dass das, was ich lese oder höre, auch falsch sein könnte. Diese innere Haltung lässt mich manches Mal klärend nachfragen.

Zum einen verhindere ich damit Missverständnisse und zum anderen bewahrt sie mich davor, mir Meinungen über Dinge zu bilden, die „in Wahrheit“ vielleicht ganz anders sind, als sie mir gerade präsentiert werden.

Achtsamkeitsübung „Ist es wahr?“

Nimm einen Tag lang eine achtsame innere Haltung allem gegenüber ein, was du

  1. liest
  2. hörst
  3. selbst von dir gibst

und frage dich jedes Mal, ob du wirklich hundertprozentig sicher bist, dass das wahr ist.

Ich garantiere dir: Dich immer wieder mal an die drei Siebe des Sokrates zu erinnern, nimmt viel Stress aus deinem Leben!

Das zweite Sieb: Ist es gut?

In der Oberschule sollten wir während eines Seminars einmal Tageszeitungen nach ihren emotionalen Inhalten analysieren. Wir sollten uns die Zeitungen vornehmen und das Gelesene markieren: positive Meldungen / angenehm = gut (grün), negative Meldungen = unangenehm (rot) und neutrale Meldungen, die keine Emotionen in uns hervorriefen (gelb).

Ich weiß noch heute, wie schockiert ich über den hohen „Rotanteil“ war. „Only bad news are good news“, heißt es in der Medienbranche. Willst du Aufmerksamkeit, dann blase Fakten auf, schüre Meinungen und Aggression, deute Sachverhalte um und benutze dabei möglichst viele „Power-Words“ (emotionalisierende Begriffe).

Mit den Sieben des Sokrates ein Gefühl für das Gute entwickeln

Inzwischen habe ich ein gesundes Gespür dafür entwickelt, was „gut“ für mich ist, was mich stärkt und erfreut. Ich lese keine Tageszeitungen mehr und zappe bestenfalls einmal täglich online gezielt durch die Headlines. Es reicht mir tatsächlich, um zu wissen, was im Land und in der Welt los ist. Details sind nur mehr desselben und haben keinen „Mehrwert“ für mich und mein Leben.

Achtsamkeitsübung „Ist es gut?“

  1. Achte einen Tag lang auf alle Momente, in denen du etwas Gutes liest, hörst oder selbst von dir gibst.
    Welche Gefühle löst der jeweilige Moment in dir aus? Wie fühlt sich das im Körper an?
  2. Achte einen Tag lang auf alle Momente, in denen du etwas Nicht-Gutes liest, hörst oder selbst von dir gibst.
    Welche Gefühle löst der jeweilige Moment in dir aus? Wie fühlt sich das im Körper an?

Verinnerliche deine Erkenntnisse, indem du dir abends ein paar schriftliche Notizen zu deinen Erfahrungen in deinem Achtsamkeitstagebuch machst.

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Das dritte Sieb: Ist es nützlich?

Hat dir auch schon mal jemand „einen toten Fisch in die Tasche gelabert“? Kennst du die Erfahrung, dass dir nutzloses Gerede, dem du zuhörst oder in das dich jemand verwickeln möchte, deine Zeit klaut?

Während meiner Achtsamkeitslehrer-Ausbildung am von Jon Kabat-Zinn entwickelten Center for Mindfulness an der University of Massachusetts wurde unsere Ausbildungsgruppe einmal mit einem Reisebus zu einem anderen Ausbildungsort gefahren.

Ich saß am Fenster und eine junge Mitlernende indigenen Ursprungs fragte mich, ob sie sich neben mich setzen dürfe. Ich antwortete, sie sei mir herzlich willkommen, wenn sie mit mir die Stille teilen möchte. Das bejahte sie erfreut.

Während im Bus das pure Leben tobte und alles laut und heftig durcheinander redete, genossen wir beide unsere schweigende Gegenwart. Wir genossen den Ausblick auf die wundervolle Landschaft und ließen die Impulse des Lernens der letzten Tage in uns nachwirken.

Nichts zu sagen

Irgendwann wurde unsere Aufmerksamkeit vom Gespräch einiger in der Nähe sitzender Mitreisender auf sich gezogen. Nachdem wir eine Weile unfreiwillige Zuhörer des Szenarios waren, sagte meine Nachbarin lächelnd zu mir: „Wenn man alles gestrichen hätte, was es nicht wert war, gesagt zu werden, hätten sie sich eigentlich nichts zu sagen gehabt.“

Wenn jeder Mensch nur noch sagen würde, was es wert ist, gesagt zu werden, hätten wir eine stillere Welt mit weniger Missverständnissen und Auseinandersetzungen.

Was es wert ist, gesagt zu werden, ist keine moralisch-wertende Frage – es ist eine Frage von Situationsangemessenheit. Die Antwort auf die Frage, was nützlich ist, muss jeder für sich selbst finden und sie muss in jedem Moment erneut gefunden werden.

Achtsamkeitsübung „Ist es nützlich?“

Nutze deine Achtsamkeitspraxis, um einen Tag lang jedes Mal innezuhalten, wenn du den Impuls verspürst, etwas zu sagen. Dann frage dich:

  • Muss das wirklich gesagt werden?
  • Wohin wird das führen, was ich gerade sagen möchte?

Verinnerliche deine Erkenntnisse, indem du dir abends ein paar schriftliche Notizen zu deinen Erfahrungen in deinem Achtsamkeitstagebuch machst.

Wie die drei Siebe des Sokrates deine achtsame Kommunikation unterstützen

Die drei Siebe des Sokrates kannst du also auf zwei Arten anwenden:

– bei dem, was du hörst, liest und siehst

– bei dem, was du redest und denkst

Informationen filtern und selektive Wahrnehmung stärken

Den ganzen Tag über werden wir von Nachrichten und Informationen überschwemmt, die unseren Geist vernebeln. Lassen wir zu, dass unsere Aufmerksamkeit unreflektiert von all diesen Impulsen gebunden wird, kostet uns das nicht nur Lebenszeit, sondern auch geistige Kraft.

Diesen besonderen Wert haben die drei Siebe des Sokrates für dich:

  • Du kannst Informationen besser filtern und deine selektive Wahrnehmung ausbilden. Durch die bewusste Lenkung deiner Aufmerksamkeit stärkst du deine Konzentrationsfähigkeit.
  • Du sparst Lebenskraft, weil du weniger redest, denn die meiste Energie des Tages wird durch Reden verbraucht.
  • Du kultivierst gute Gefühle in dir.
  • Du gibst keinen gedankenlosen „Trash“ von dir, sondern schenkst der Welt mehr des „Wahren, Guten und Schönen“.
  • Du kannst die Sieb-Geschichte als Achtsamkeitsübung zum Vertiefen deiner achtsamen Kommunikation nutzen.
  • Du hast einen Anreiz zur Selbstreflexion der dir hilft, mehr über dich selbst herauszufinden.

Ursprung der Geschichte von den drei Sieben des Sokrates

Ich werde öfter gefragt, ob der fiktive Dialog mit den drei Sieben wirklich von Sokrates stammt. Ganz verlässlich kann das niemand sagen.

Die drei Tore von Rumi

Die drei Siebe des Sokrages werden verschiedentlich mit dem persischen Dichter Meylana Dschelaluddin Rumi in Verbindung gebracht. Er verwendete das Symbol von Toren und empfahl, dass jeder Mensch, bevor er spricht, zunächst durch die drei Tore hindurchgehen soll. An jedem Tor wird er nach seinen Worten befragt: „Sind sie wahr?“, „Sind sie notwendig?“, „Sind sie freundlich?“.

Da Sokrates jedoch rd. 1500 Jahre vor Rumi lebte, erscheint es wahrscheinlicher, dass Rumi hier vom geistigen Nektar des Sokrates getrunken hat.

Die Trias von Sokrates

Verlässlich ist die von Sokrates überlieferte Trias des Wahren, Schönen und Guten, einem klassischen Ideal, das im 18. und 19. Jahrhundert einen bedeutenden Einfluss auf unsere westliche Kultur hatte.

Sokrates beschäftigte vor allem das Gute. Als gut definierte er sowohl moralisch als auch alltagspragmatisch alles, was das richtige Maß hat, was schön und was wahr ist. Ein gutes Leben bestand nach seiner Auffassung in einer harmonischen Vereinigung dieser drei Aspekte im Geiste wie im Leben.

Die Weisheit des Buddha

Den ältesten Hinweis auf die drei Siebe des Sokrates fand ich bei Buddha, der rd. 200 Jahre vor Sokrates lebte. Zu den Grundlagen des Buddhismus gehört der sogenannte Edle Achtfache Pfad und eines dieser Pfadglieder ist die „Rechte Rede“. Im Pali-Kanon, den überlieferten buddhistischen Schriften, wird die rechte Rede folgendermaßen beschrieben:

„Lüge sein lassen,
entzweiende Sprache sein lassen,
harte Worte sein lassen,
Geschwätz und oberflächliches Gerede sein lassen – das nennt man rechte Rede.“

(Dīgha Nikāya 22)

Der Buddha sagte, dass unsere Gedanken sowie unser Reden heilsam oder unheilsam, nützlich oder unnütz, wahr oder falsch sein. „Rechte Rede“, so heißt es, meidet Lüge, Verleumdung, Schimpfen, unnützes Gerede und Klatsch.

Rechte Rede bedeutet, „Wenn zur rechten Zeit gesprochen wird, wenn das, was gesagt wird, wahr, höflich und zweckmäßig ist und aus liebevoller Gesinnung kommt.“

Fazit

Es stecken viel Weisheit und viele Möglichkeiten zur Vertiefung deiner achtsamen Kommunikation (und deiner Achtsamkeitspraxis ganz allgemein) in kleinen Geschichte Die drei Siebe des Sorates.

Mögen meine Ausführungen dazu dienen, das Wahre, Gute und Schöne in deinem Herzen und deinem Alltag zur Entfaltung zu bringen.

© Doris Kirch